Checkliste: Die Angebotswertung – Zum Zuschlag in vier Stufen

Leitfaden Vergaberecht
Formal einwandfreie Angebote abgeben und die Chancen auf den Zuschlag erhöhen

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Grafische Darstellung der Stufen eines Vergabeverfahrens

Grafik: Stufen eines Vergabeverfahrens

Wie läuft die Bewertung der Angebote ab?

Die Prüfung und Wertung der Angebote muss in vier Stufen ablaufen, deren Reihenfolge vom Auftraggeber grundsätzlich einzuhalten ist. Nach Ablauf der Angebotsfrist werden die Angebote geöffnet. Anwesend sind hier zwei Vertreter der Vergabestelle (Vier-Augen-Prinzip).

Wichtig: Falls auch nur einer der folgenden Prüfschritte ein negatives Ergebnis hat, wird Ihr Angebot zwingend ausgeschlossen.

1. Prüfungsstufe: Formale und inhaltliche Prüfung des Angebots

In dieser Stufe erfolgt die formale und inhaltliche Prüfung des Angebots. Es wird u.a. geprüft,

  • ob das Angebot form- und fristgerecht eingereicht wurde,
  • ob es an den geforderten Stellen unterzeichnet ist,  ob die geforderten Unterlagen vollständig eingereicht wurden,
  • ob das Angebot die geforderten Preisangaben enthält,
  • ob das Angebot fachlich und rechnerisch richtig ist,
  • ob in dem Angebot unzulässige Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vor- genommen wurden,
  • ob es Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränkende Abrede gibt (z. B. gleich gestaltete Angebote bei Schwesterunternehmen o. ä.), und
  • ob möglicherweise Nebenangebote abgegeben wurden, obwohl diese nicht zugelassen waren.

Vollständig ist ein Angebot, wenn es unterschrieben bzw. elektronisch signiert und komplett ausgefüllt ist, und dazu noch alle geforderten Angaben, Erklärungen und Preise sowie alle vom Bieter benannten Anlagen enthält.

Bei der Prüfung der rechnerischen Richtigkeit geht es darum, Rechen- und Übertragungsfehler festzustellen. Fehlkalkulationen fallen in die Risikosphäre des Unternehmens. Fachlich richtig ist ein Angebot, wenn die technischen Angebotsinhalte den Anforderungen in der Ausschreibung entsprechen.

2. Prüfungsstufe: Eignungsprüfung

Im nächsten Schritt überprüft die Vergabestelle die Eignung der Bieter auf der Grundlage der geforderten Nachweise (s. Checkliste Eignungsnachweise). Die Vergabestelle prüft dabei, ob die vorgelegten Belege für die Eignung (Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters) die Prognose stützen, dass der Bieter die ausgeschriebene Leistung (ggf. auch durch „fremde“ Ressourcen) vertragsgerecht erbringen kann. Im nichtoffenen und ggf. im Verhandlungsverfahren wird die Eignungsprüfung vorgezogen und schon im Teilnahmewettbewerb durchgeführt.

Die Eignungsprüfung folgt keinem streng schematisierten Ablauf. Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters hat die Vergabestelle einen weiten Spielraum. Die Vergabestelle ist aber gehalten, ihre Entscheidung auf einer möglichst breiten Tatsachengrundlage zu treffen. Sie darf dabei nur gesicherte Erkenntnisse berücksichtigen. Schlechte Erfahrungen (auch anderer („fremder“) öffentlicher Auftraggeber) mit einem Bieter können grundsätzlich berücksichtigt werden, erforderlich ist aber stets eine Prüfung im Einzelfall und eine sorgfältige Dokumentation. Dort werden auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen die Bieter ausgewählt, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen.

Die Prüfung vollzieht sich in zwei Stufen:

  • Auf der ersten Stufe erfolgt die formelle Eignungsprüfung: Sind alle geforderten Nachweise vorhanden?
  • Auf der zweiten Stufe erfolgt eine inhaltliche Eignungsprüfung, die der Frage nachgeht, ob sich aus den vorgelegten Nachweisen eine hinreichende Eignung des Bieters für die Ausführung des Auftrags entnehmen lässt.
    • Eine maßgebliche Frage kann dabei z. B. sein, ob die angegebenen Referenzen mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sind.
    • „Vergleichbar“ heißt nicht „gleich“; die Referenzen müssen sich aber auf Aufträge beziehen, die nach Art und Umfang dem ausgeschriebenen Auftrag inhaltlich entsprechen.
    • Die den ausgeschriebenen Auftrag prägenden Elemente, also die Schwerpunkte der Leistung, müssen in den „vergleichbaren“ Referenzleistungen ebenfalls erbracht worden sein.
    • Letztendlich muss die Vergabestelle beurteilen, ob die Referenzen den hinreichend sicheren Schluss auf Leistungsfähigkeit und Fachkunde des Bieters zulassen. Dabei hat die Vergabestelle einen Beurteilungsspielraum.
  • Sie können sich als Bieter zum Nachweis Ihrer Eignung auch der Fähigkeiten (Ressourcen, Kapazitäten, Personal etc.) eines anderen Unternehmens bedienen (z.B.: Nachunternehmer, Mutterkonzern). In diesem Zusammenhang spricht man von „Eignungsleihe“.
  • Dann müssen Sie jedoch dem Auftraggeber gegenüber nachweisen, dass Ihnen die Mittel des anderen Unternehmens im Auftragsfall bei der Ausführung des Auftrags auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Dies geschieht in der Praxis i. d. R. durch eine – häufig vom Auftraggeber als Formblatt vorgegebene – entsprechende Verpflichtungserklärung des anderen Unternehmens o.ä.
  • Bei Bietergemeinschaften muss jedes Mitglied die Belege für das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen vorlegen; für die weiteren Eignungsmerkmale Fachkunde und Leistungsfähigkeit kommt es hingegen grundsätzlich auf die Eignung der Bietergemeinschaft insgesamt an.

Ein Nachfordern fehlender Eignungsnachweise soll mit einer Frist von sechs Kalendertagen (VOB/A) bzw. kann unter Setzung einer angemessenen Frist erfolgen (VgV bzw. UVgO). ABER: Fehlende Preisangaben können grundsätzlich nicht nachgefordert werden – unter bestimmten Voraussetzungen wird hiervon eine Ausnahme für eine einzelne unwesentliche Position (VOB/A) bzw. für unwesentliche Einzelpositionen (VgV bzw. UVgO) gemacht.


3. Prüfungsstufe: Angemessenheit der Angebotspreise

In der dritten Prüfungsstufe geht es um die Angemessenheit der Preise. Dabei prüft die Vergabestelle, ob ein Angebot im Verhältnis zur ausgeschriebenen Leistung ungewöhnlich hoch oder niedrig ist oder ob ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung vorliegt. Gegenstand der Prüfung ist dabei grundsätzlich der Gesamtpreis des Angebots.

Ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot vorliegt, kann beispielsweise durch den Vergleich mit den anderen eingegangenen Angeboten festgestellt werden. Auch die im Vorfeld des Vergabeverfahrens vorgenommene Schätzung des voraussichtlichen Auftragswertes durch die Vergabestelle kann hierfür herangezogen werden. Auch kann ein Vergleich mit den Ergebnissen früherer Ausschreibungen stattfinden. Ungewöhnlich niedrig ist ein Angebot, wenn der Preis von den Erfahrungswerten einer wettbewerblichen Preisbildung erheblich abweicht. Dabei ist nicht allein der Preisabstand der Angebote maßgeblich, sondern es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der niedrige Preis kein Wettbewerbspreis ist Ist die Abweichung hinsichtlich der Gesamtsumme größer als 20 Prozent (im Baubereich: 10 Prozent), so dürfte ein Aufklärungsbedürfnis vorliegen. Eine Faustregel gibt es nicht; es kommt stets auf den Einzelfall an.


Wichtig: Ein automatischer Ausschluss ist unzulässig. Die Vergabestelle muss zunächst auf den Bieter zugehen und eine nähere Aufklärung über die Preisbildung verlangen. Hierzu fordert sie den betroffenen Bieter zu einer (schriftlichen) Stellungnahme in Textform innehalb einer angemessenen Frist (in der Regel von einer Woche) auf. Der betroffene Bieter muss dann darlegen und mit geeigneten Mitteln nachweisen, dass sein Angebot auskömmlich ist. Auch Unterkostenangebote können von öffentlichen Auftraggebern beauftrat werden. Der Bieter muss dann allerdings nachweisen, dass er den Auftrag vertragsgerecht erbringen kann.


4. Prüfungsstufe: Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes

Erst in der vierten Stufe erfolgt die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes durch eine vergleichende Betrachtung der Angebote. In dieser letzten Stufe bewertet die Vergabestelle die eingereichten Angebote.

Dies darf allein auf der Grundlage der vorab festgelegten und den Bietern bekannt gegebenen Zuschlagskriterien geschehen. Die Zuschlagskriterien müssen durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sein. Neben Betriebs- und Folge- kosten können hier auch qualitative Aspekte wie Umwelteigenschaften oder Serviceleistungen berücksichtigt werden. Aber auch Liefer- beziehungsweise Ausführungszeiten können von Bedeutung sein. Der Auftraggeber kann auch die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals als Zuschlagskriterium bewerten, wenn – wie zum Beispiel bei Beratungsleistungen – die Qualität des Personals erheblichen Einfluss auf die Auftragsausführung haben kann. Erfahrungsgemäß spielt jedoch der Preis die herausragende Rolle; er darf bei der Angebotswertung jedenfalls keine völlig untergeordnete Rolle spielen, d.h. er darf nicht weniger als 30% gewichtet werden.

Die Zuschlagskriterien müssen bei europaweiten Ausschreibungen einschließlich ihrer Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung, spätestens aber in den Vergabeunterlagen genannt werden, um es den Bietern zu ermöglichen, bei ihrer Angebotserstellung die Wertungskriterien und ihre Gewichtung zu berücksichtigen.

Im Ergebnis wird dasjenige Unternehmen beauftragt, welches die drei ersten Stufen erfolgreich absolviert hat und darüber hinaus die Zuschlagskriterien bestmöglich erfüllt; dessen Angebot also letztlich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis auf der Basis der veröffentlichten Zuschlagskriterien offeriert. Eine erneute Eignungsprüfung der Bieter in der vierten Stufe ist unzulässig.

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