Bieterfragen: Form, Rechte und Fristen

Leitfaden Vergaberecht
Formal einwandfreie Angebote abgeben und die Chancen auf den Zuschlag erhöhen

Bieterfragen kosten nichts und für Bieter sind sie häufig – gerade in offenen Verfahren – die einzige Möglichkeit, auf die Ausschreibung Einfluss zu nehmen. Für Auftraggeber bieten Bieterfragen die Möglichkeit der rechtssicheren Verfahrensgestaltung. Zudem können Auftraggeber über den Inhalt der Bieterfragen vom Fachwissen der Bieter profitieren und so ihre Ausschreibungen optimieren.

Der fehlerhafte Umgang mit Bieterfragen kann Auftraggeber allerdings teuer zu stehen kommen. Der „Preis“ kann bis zur Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor der Bekanntmachung gehen. Entsprechend ist im Umgang mit Bieterfragen so einiges zu beachten:

Fristen: Bis wann müssen Bieterfragen gestellt werden?

Da Auftraggeber einen Anspruch auf ein geordnetes Vergabeverfahren haben, ist es ihnen erlaubt, klare Regeln für Bieterfragen vorzugeben. Hierzu gehört auch, eine Frist für den Eingang von Bieterfragen zu setzen (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.05.2016 – 1 Verg 1/16). Mit Blick auf § 20 Abs. 3 Nr. 1 Vergabeverordnung (VgV), wonach die Angebotsfrist zu verlängern ist, wenn nicht spätestens sechs Kalendertage vor Ablauf der Angebotsfrist Antwort auf die Bieterfrage gegeben werden kann, ist eine Frist von ca. 10–12 Kalendertagen vor Angebotsabgabefrist zulässig.

Allerdings heißt dies nicht, dass Auftraggeber Bieterfragen, die nach Ablauf einer gesetzten Frist eingehen, unbeantwortet lassen können. Deckt eine Frage Defizite oder Unklarheiten der Vergabeunterlagen auf, müssen Auftraggeber in der Sache die geeigneten Konsequenzen im Sinne einer Korrektur oder Klarstellung herbeiführen. Hierbei spielt es keine Rolle, wie kurzfristig die Frage vor dem Ablauf der Angebotsfrist eingeht. Führt die Klarstellung/Korrektur dazu, dass die Frist zur Angebotserstellung nicht mehr genügt, müssen Auftraggeber diese ausreichend – ggf. auch mehrfach – verlängern (VK Lüneburg, Beschl. v. 19.09.2019 – VgK-33/2019). Wird die notwendige Klarstellung/Korrektur unterlassen, droht die Rückversetzung des Vergabeverfahrens (VK Bund, Beschl. v. 28.01.2017 – VK 2-129/16).

Bieterfragen: Rechte und Pflichten der Auftraggeber

Zu jeder Bieterfrage ist eine möglichst „eindeutig[e] und erschöpfende“, nicht missverständliche Antwort zu formulieren (VK Westfalen, Beschl. v. 29.02.2016 – VK 1-5/06). In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit – beginnend mit der Bekanntmachung, endend mit der Beantwortung von Bieterfragen – ohne Widersprüche sein müssen. Sofern Antworten auf Bieterfragen ihrerseits missverständlich und damit intransparent sind, geht dies zulasten des Auftraggebers (VK Bund, Beschl. v. 27.02.2023 – VK 2-8/23; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.03.2022 – 54 Verg 11/21).

Ferner gebietet es der Grundsatz der Gleichbehandlung und Transparenz, dass Auftraggeber die gestellten Fragen sowie die entsprechenden Antworten allen Unternehmen (anonymisiert) zur Verfügung stellen. Auftraggeber können nur im Einzelfall eine Bieterfrage individuell beantworten, und zwar dann, wenn die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des fragenden Bieters preisgeben würde (VK Sachsen, Beschl. v. 24.08.2016 – 1/SVK/017-16). Bieteröffentlichkeit ist ferner dann entbehrlich, wenn die Fragen einem rein subjektiven Informationsbedürfnis des Fragenden entspringen und deren Beantwortung in reinen Wiederholungen bereits bekannter Informationen besteht (VK Bund, Beschl. v. 28.01.2017 – VK 2-129/16).

Fazit: Ergeben sich Widersprüche oder Unklarheiten im Zusammenhang mit den Vergabeunterlagen, ist es Bietern dringend anzuraten, entsprechende (klarstellende) Bieterfragen zu verfassen, um mit den so zusätzlich erlangten Informationen oder Korrekturen ein besseres Angebot erstellen zu können. Eigene Interpretationen des tatsächlich vom Auftraggeber „Gewollten“ können schnell einmal zur Änderung der Vergabeunterlagen und damit zum Angebotsausschluss führen.

Auftraggeber haben bei der Beantwortung von Bieterfragen auf Eindeutigkeit zu achten und müssen sämtlichen Bietern die zusätzlichen Informationen zur Verfügung stellten. Sofern die Korrekturen und Klarstellungen Einfluss auf die Angebotserstellung haben, ist die Angebotsabgabefrist angemessen zu verlängern. Dies gilt selbst dann, wenn die Bieterfragen nach Ablauf einer gesetzten Frist gestellt werden. Zudem ist an die Dokumentation von Bieterfragen und deren Beantwortung zu denken!

Wie stelle ich Bieterfragen?

Bieterfragen sind schriftlich zu stellen und werden regelmäßig über die genutzte Vergabeplattform einzureichen sein. Bezüglich der Art und Weise der Formulierung ihrer Fragen sind Bieter dem Grunde nach frei. So kann die Fragestellung auf eine ja/nein- oder auch auf eine inhaltlich offene Antwort abzielen. Ebenso können dem Auftraggeber konkrete Antwortoptionen vorgegeben werden. Bevor die Bieterfrage formuliert wird, ist es jedoch ratsam, zunächst einmal die Zielstellung der Frage schriftlich zu formulieren. Zwar wird die schriftlich fixierte Zielstellung nicht Gegenstand der Bieterfrage. Nur so ist aber gewährleistet, dass die Bieterfrage nicht am eigentlichen Thema vorbei geht. Im letztgenannten Fall droht nämlich auch die Antwort der Vergabestelle nicht weiterzuhelfen.

Bieterfragen sind ohne Zweifel ein wichtiges Instrument im Rahmen des Vergabeverfahrens. Um den jeweils maximalen Mehrwert durch den Einsatz von Bieterfragen zu erzielen, ist es dabei aber unerlässlich, ein besonderes Augenmerk auf die konkrete Situation zu legen.

Weitere Informationen rund um rechtliche Rahmenbedingungen und die strategisch richtige Nutzung von Bieterfragen erhalten Sie in unserem Webinar „Kommunikation in Vergabeverfahren: Bieterfragen“.

von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht

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