Regionalforum Schleswig-Holstein in Rendsburg
Regionalforum Schleswig-Holstein am 23.04.2024

Erst prüfen, dann ausschließen

Nachdem die E-Vergabe zumindest bei EU-weiten Ausschreibungen seit mehr als einem Jahr verpflichtend ist, setzt bei Bietern und Auftraggebern eine gewisse Routine ein. Spätestens wenn bei der Übermittlung des Teilnahmeantrags oder Angebots technische Probleme auftreten, ist es jedoch mit der Routine vorbei. Insbesondere wird dann die Frage nach der Verantwortlichkeit von technischen Fehlern diskutiert und muss von den angerufenen Vergabekammern entschieden werden. In diesen Kontext reiht sich eine weitere Entscheidung der VK Münster (Beschluss v. 20.2.2019, VK 1-40/18) ein:

Ein Bieter hatte kurz vor Ende der Angebotsabgabefrist vergeblich versucht, sämtliche Anlagen zu seinem Angebot über das zu verwendende Vergabeportal hochzuladen. Der Auftraggeber will das Angebot wegen Unvollständigkeit ausschließen, ohne zuvor die Ursachen für den fehlerhaften Upload der Unterlagen aufzuklären.

Genau darin lag nach Ansicht der Vergabekammer das dem Auftraggeber vorwerfbare Verhalten. Vor Angebotsausschluss hätte der Auftraggeber prüfen müssen, ob ein technischer Fehler der Vergabeplattform dazu geführt hat, dass der Bieter nicht sämtliche Formulare hochlanden konnte. Die Prüfpflicht ergäbe sich aus der Regelung des § 56 Abs. 1 VgV sowie § 11 Abs. 1 VgV, wonach elektronische Mittel und deren technische Merkmale den Zugang von Unternehmen zum Vergabeverfahren nicht einschränken dürfen. Der Auftraggeber müsse daher im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung untersuchen, wer die verspätete bzw. unvollständige Angebotsabgabe zu vertreten hat, insbesondere ob ihn ein sog. internes Organisationsverschulden trifft. Ist eine Aufklärung nicht ohne weiteres möglich, ist auch der Bieter bei der „Fehlersuche“ mit einzubeziehen.

Fazit für die Vergabepraxis: Auch in Zeiten der E-Vergabe bleibt es dabei, dass eine verspätete oder unvollständige Übermittlung des Angebots nur dann zum Ausschluss berechtigt, wenn das Bieterunternehmen dies zu vertreten hat. Technische Schwierigkeiten, die in der verwendeten Vergabeplattform selbst verankert sind, dürfen nicht zu Lasten des Bieters gehen (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.12.2016, 1 VK 51/16). Auf der anderen Seite muss der Bieter dafür Sorge tragen, mit der jeweils aktuellen Softwareversion zu arbeiten (VK Südbayern, 19.03.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17).

Die hiesige Entscheidung stellt jedoch klar, dass der Auftraggeber vor einem Angebotsausschluss untersuchen muss, ob der Fehler aus seiner Risikosphäre resultiert. Zu Recht, denn nur er hat die Möglichkeiten, entsprechende Untersuchungen, z.B. anhand der Log-Dateien, durchzuführen zu lassen.

von Prof. Dr. Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht

Regionalforum Schleswig-Holstein in Rendsburg
Regionalforum Schleswig-Holstein am 23.04.2024

Im Rahmen der nationalen Veranstaltungsreihe "Regionalforen" bietet das Deutsche Vergabeportal DTVP interessierten öffentlichen Auftraggebern aus Schleswig-Holstein einen Überblick über landesrechtliche Besonderheiten bei der Anwendung der E-Vergabe und einen Einblick in die Nutzung der elektronischen Vergabeplattform DTVP.

Hotel CONVENTGARTEN in Rendsburg | Di. 23.04.2024 | 08:30

Diese Veranstaltung richtet sich an:
  • Mitarbeiter/-innen von Vergabestellen in Schleswig-Holstein, die an Vergabeverfahren beteiligt sind.

Weitere Informationen

24. Informationstagung der IHK-GfI
„Unser Antrieb: Ihre Perspektive. Digitalisierung gemeinsam gestalten“ –unter diesem Motto fand am 25. und 26. April 2017 die 24. Informationstagung []
Alle (zwei) Jahre wiederkommen die neuen Schwellenwerte. Die neuen, ab 01. Januar 2022 geltenden Schwellenwerte finden Sie in diesem Artikel
Die aktuellen EU Schwellenwerte für öffentliche Auftragsvergabe finden Sie in unserem Ratgeber „Relevanz und Höhe der Schwellenwerte“. •    Bauaufträge : []

Kontaktieren Sie uns direkt:

Zum Kontaktformular

Produktberatung
Bieter

0221 / 97 66 8 - 200 beratung@dtvp.de

Produktberatung
Vergabestellen

030 / 37 43 43 - 810 vergabestellen@dtvp.de
DTVP Kundenumfrage Zertifizierung Top Service